Künstliche Intelligenz mag wie eine brandneue Technologie wirken, ihre Wurzeln reichen jedoch bis in die 1950er-Jahre zurück. Schon 1956 prägte John McCarthy den Begriff „Artificial Intelligence“, wenig später ließen erste Programme Computer Schach spielen und komplexe Aufgaben lösen. 1966 plauderte der Chatbot ELIZA mit Nutzerinnen, in den 1970ern unterstützte KI Ärztinnen, und in den 1980ern bewies NETtalk, dass Maschinen lesen und sprechen lernen können. 1997 folgte der große Paukenschlag, als Deep Blue Schach-Legende Garry Kasparow bezwang – KI war endgültig auf der Weltbühne angekommen.[1]
Heute steht die Technik erneut vor einem Sprung: Analyst:innen erwarten für 2025 ein globales Marktvolumen von rund 222 Milliarden €. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von 26,6% könnte der Wert bis 2031 auf 922 Milliarden € steigen; allein die USA sollen 2025 rund 67 Milliarden € davon erwirtschaften.[2]
Was heißt das für Österreichs Landwirtschaft? Ein Blick in den Beitrag der Landwirtschaftskammer Kärnten zeigt, wie schnell KI vom Labor aufs Feld gelangt. Die Agrifood TEF – European Testing & Experimentation Facility stellt Start-ups, Forschungsinstituten und Maschinenherstellern eine Spielwiese zur Verfügung, um Sensoren, Algorithmen und Robotik unter realen Praxisbedingungen zu testen. Daraus ist etwa die Smartphone-App „SoilCover“ von Josephinum Research entstanden: Sie analysiert Fotos, berechnet in Sekunden den Bodenbedeckungsgrad und erleichtert so Greening- oder ÖPUL-Nachweise.
Auch das Hackgerät „InRowIng“ von FARM-Ing setzt neue Maßstäbe: Während der Fahrt erkennt es Kultur- und Beikräuter sogar innerhalb der Reihe und arbeitet millimetergenau – Handarbeitund Herbizide werden drastisch reduziert. Parallel nutzt LK-Technik Mold KI-gestützte Bilderkennung, um Giftpflanzen wie Jakobskreuzkraut einzeln aufzuspüren und Futterkontamination zu verhindern. Und in der Tierhaltung misst ein Sensorbolus von smaXtec pH-Wert, Temperatur und Aktivität im Vormagen; die KI wertet die Daten in Echtzeit aus, signalisiert Brunstbeginn oder Krankheitsanzeichen und ermöglicht punktgenaue Behandlungen.
Kurz gesagt: KI ergänzt das landwirtschaftliche Know-how – und macht auch kleinen Betrieben Werkzeuge zugänglich, die früher nur Großunternehmen hatten.
Rund um KI kursieren viele Missverständnisse. Zwei davon begegnen uns in Gesprächen mit Direktvermarkter:innen besonders häufig – und lassen sich leicht entkräften.
Erstens: „KI ersetzt alle Jobs.“
Tatsächlich übernimmt KI vor allem monotone Routineaufgaben. Gleichzeitig entstehen aber neue Rollen – von der Datenanalyse über das kuratierte Storytelling bis hin zur kreativen Produktentwicklung. Jede technische Revolution, vom mechanischen Webstuhl bis zum E-Commerce, hat zusätzliche Wertschöpfungsketten geschaffen – die Landwirtschaft bildet hier keine Ausnahme.
Zweitens: „KI liefert perfekte Ergebnisse.“
Algorithmen erzeugen Vorschläge, die plausibel wirken, aber eine fachliche Endkontrolle bleibt unverzichtbar. Gerade bei heiklen Angaben wie Allergenen oder Preislisten nach AGES-Vorgabe muss immer ein Mensch gegenprüfen. KI ist also Assistent, nicht Schiedsrichter.
Die Technologie kann theoretisch jeden Betriebsbereich berühren, doch in sechs Feldern zeigt sich der Nutzen besonders schnell – vorausgesetzt, die richtigen Tools werden gezielt eingesetzt und ihre Ergebnisse kritisch geprüft.
Durch das Screening von Markt-und Rezeptdaten erkennt KI Geschmackstrends, Verpackungsvorlieben und Haltbarkeitsanforderungen. Rezeptvarianten zu Gewürzprofilen oder Packungsgrößen lassen sich in Minuten simulieren, sodass Entscheidungen auf belastbaren Daten statt auf Bauchgefühl beruhen.
Cluster-Algorithmen sezieren Shop-Logs, Newsletter-Klicks und Social-Media-Interaktionen, beschreiben kaufkräftige Segmente und errechnen Preiskorridore, die Rohstoffpreise, Wettbewerb und Preiselastizitäten verknüpfen.
Text- und Bildgeneratoren erstellen komplette Kampagnenpakete – vom Newsletter-Betreff bis zur Etikettenbeschreibung – und passen Tonalität sowie Bildwelt punktgenau an. So bleibt der Content-Workflow schlank und trotzdem authentisch.
Chatbots beantworten rund um die Uhr Fragen zu Öffnungszeiten, Lieferoptionen oder Produktverfügbarkeit. Häufige Anliegen wandern automatisch in eine dynamische FAQ, während das Team sich komplexeren Aufgaben widmet.
Indem Sensor-, Wetter- und Verkaufsdaten verknüpft werden, prognostiziert KI Absatzmengen, steuert Produktion und Lager just-in-time und hilft zugleich, Ressourcen wie Energie, Wasser oder Futtermittel effizienter einzusetzen.
Automatisierte Label-Checks gleichen Zutatenlisten, Allergene und Nährwerte mit HACCP-, Bio- und AGES-Standards ab. Kameras überwachen jede Charge, schlagen bei Abweichungen Alarm und ermöglichen ein proaktives Qualitätsmanagement.
Gemeinsam bilden diese sechs Bereiche einen Werkzeugkasten, der die Wertschöpfungskette vom Acker bis zum Verkauf digital verzahnt.
Der Output einer KI ist immer nur so gut wie die Eingabe. Im Marketing bewährt sich daher das Schema:
„Übernimm die Rolle als …, nutze folgende Informationen …, und erstelle … im Format …“.
Damit entstehen Social-Media-Posts, Produkttexte oder Vertriebsstrategien exakt passend zum Betrieb. Vier Prompt-Techniken helfen dabei:
„Übernimm die Rolle eines Marketing-Experten für Direktvermarktung, nutze mein Hofladen-Sortiment (Bio-Gemüse, hausgemachte Marmeladen) und erstelle drei kreative Post-Ideen als Liste.“
„Übernimm die Rolle eines Werbetexters für nachhaltige Lebensmittel, verwende diese Infos (Maiswaffeln, regional, bio, knusprig) und schreibe eine kurze, überzeugende Produktbeschreibung.“
„Übernimm die Rolle eines Verkaufsberaters für Bauernmärkte, analysiere meine Produkte (hausgemachter Käse, saisonales Obst) und gib mir fünf Tipps für eine erfolgreiche Marktstrategie als Liste.“
Wer noch tiefer einsteigen möchte, findet hier eine ausführliche Übersicht weiterer Prompting-Arten.
Unser fiktiver Maisbetrieb aus der Steiermark zeigt Schritt für Schritt, wie KI alle Stationen eines Direktvermarktungsprojekts unterstützen kann. (Dieses Beispiel stammt aus unserem Workshop KI AB HOF von der AB HOF 2025 in Wieselburg.)
Die komplette Chat-Konversation aus dem Workshop KI AB HOF in Wieselburg ist im Dokument im Anhang dokumentiert und eignet sich als detailreiche Vorlage für eigene Projekte.
Es darf nie vergessen werden, eine verantwortungsvolle KI-Strategie beginnt bei Transparenz: Kund:innen sollten jederzeit erkennen können, welche Texte, Bilder oder Videos maschinell erzeugt wurden. Ebenso essenziell ist ein robuster Datenschutz. Verkaufs- und Personendaten gehören konsequent verschlüsselt, während Dienstleister:innen nachweislich DSGVO-konform arbeiten müssen.
Bias-Prüfungen (dies sind strukturierte Verfahren, mit denen man KI-Systeme systematisch auf Verzerrungen untersucht) schließen blinde Flecken im Modell aus und verhindern Fehlversprechen– etwa Begriffe wie „gesund“ oder „klimafreundlich“, die erst nach fachlicher Prüfung kommuniziert werden dürfen. Und nicht zuletzt entscheidet Weiterbildung: Teams, die fortgeschrittene Prompt-Techniken beherrschen und Quellen kritisch einordnen, verwandeln KI von einem einfachen Tool in einen klaren Wettbewerbsvorteil.
Der größte Fehler wäre, KI gar nicht erst auszuprobieren. Wer mit vertrauten Arbeitsschritten startet – sei es bei neuen Produktideen oder im täglichen Social-Media-Posting – gewinnt rasch Zeit für das, was Direktvermarktung einzigartig macht: ehrliche Lebensmittel, persönliche Beziehungen und nachhaltige Wertschöpfung am Land.
Video zum KI-Workshop:
Wir haben die spannendsten Momente unseres Workshops KI AB HOF in Wieselburg in diesem Highlight-Video zusammengefasst:
Die vollständige Chat-Konversation mit GPT-4o ist im begleitenden Arbeitsblatt zum Vortrag zu finden und kann hier heruntergeladen werden:
Quellen:
[1] https://www.fragzebra.de/antwort/wie-lange-wird-ki-schon-genutzt
[2] https://de.statista.com/outlook/tmo/kuenstliche-intelligenz/weltweit